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Helmholtz-Gymnasium Bonn
Zeitreise - Fragmente -
Erinnerungsspuren
C'est
moi, Helmholtz-Gymnasium,
Mitte der Sechziger Jahre
(Design-Hinweis: Alles in
SMV-Orange gehalten)
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Abi 1966,
ein berüchtigter Jahrgang, jedenfalls der legendären Abiturzeitung nach,
die ich mal besaß, seinerzeit brisant, heute wohl als harmlos
einzustufen: "Trutwin, Sie posieren ja wie ein Dressman." |
1966
war Kurzschuljahr. Ich (17.04.1963 eingeschult, Ende Grundschule
November 1966, Weihnachten 1966 Start Gymnasium) in der Sexta
b: Frau Duensing ist
Klassenlehrerin, Mathematik, Biologie und Erdkunde (Klassenfoto). Oberbüscher, ein
junger motiviertert Studienrat, unterrichtet Englisch und Geschichte. Ich
kann mich noch an die erste Stunde erinnern: Englisch als
Verkehrssprache. Zwei Jahre später bin ich zum ersten Mal in
London, das war damals noch ein Kulturschock. Deutsch bei Dr.
Braun, I guess. Kunst, Peter Wartenberg, später Franz-Josef Osterloh.
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Schulanekdoten
Kein geringes
Problem: Soll man Namen nennen. Die strafrechtlichen
Verjährungsfristen verschlagen gering gegenüber den mitunter
kompromittierenden Gehalten, die über jene Helden mehr sagen
könnten als ihre gegenwärtige Statur. |
Also Schulanekdoten
- die beste überhaupt, vermutlich 1974, jedenfalls Weiberfastnacht:
Unterricht bei Frau Rolle in WISO-Leistungskurs, letzte Stunde.
Hereinplatzt mitten in den Unterricht der Schüler Ulrich Berger, vermutlich
nicht ganz nüchtern, im Gefolge die Schüler Dieter Kaltwasser, Volkmar Nies,
Christian Hinze (?),
rote Karnevalsmützchen von Coca-Cola tragend, verschmierter Lippenstift
auf den Wangen, also mit einem Wort: fröhlich präpotente
Wissenschaft. Frau Rolle, damals noch sehr jung, nicht nur
in dieser Situation um Autorität ringend,
fordert den Schüler Berger auf, einen gerade ausgegebenen Text zu interpretieren. Berger
lässt sich den Text geben, zerknüllt ihn und wirft ihn im hohen Bogen in
den Papierkorb: "Das ist meine Interpretation Ihrer Texte." Frau
Rolle: Sie verlassen jetzt die Klasse. Berger weigert sich.
Frau Rolles Autorität reicht noch nicht aus, sie holt
den Direktor, Dr. Wilhelm Schüttler,
höchstselbst, ein Mann, der keine Widerrede kennt: "Schüler Berger,
Sie verlassen jetzt sofort die Klasse." Berger: Nein, ich bin
gekommen, um heute hier etwas zu lernen. Der "Direx" hängt sich weit aus
dem Fenster: "Wenn Sie jetzt nicht gehen, dann hole ich den Peterwagen." Berger: "Tun Sie das, ich bleibe..." Der
Schulleiter hat sich selbst in Zugzwang gesetzt, jetzt muss er handeln, wenn er das
Gesicht nicht verlieren will, aber souverän ist das eben auch
nicht.
15/20 Minuten später: Auftritt der Polizei,
zwei Polizisten holen den renitenten Schüler Berger aus der
Klasse. Problemlos. Draußen verabschiedet er sich von der Polizei
und trollt sich. Später großes Nachspiel: Schulkonferenz: Soll
der Schüler Berger von der Penne fliegen? Meinungen hin und her.
Er bleibt.
Die Anlässe für Tadel oder Verweise waren oft vom
Zeitgeist geprägt. Der Schüler Roger Willemsen, der eine
Mitschülerin, Annette Böhm, auf dem Schulhof geküsst hat, kassierte einen
Tadel. Kommentar des Direktors mir gegenüber nach einem
Treffen der SMV mit der Schulleitung: "Wenn wir
das zulassen, endet das damit, dass sie schließlich in der Rinne
rumrammeln." Dabei bezog sich das "sie" auf das
gesamte Abendland, mit anderen Worten: die Apokalypse stand kurz
bevor. Das war an dieser Schule möglich, weil hier auch das Nichtereignis
einen echten Kulturwert respektive -unwert besaß.
Die ungehaltene
Abiturrede von Peter Brinkemper >> |
Gaststätte
Mering, gegenüber Ausgang Schwalbenweg, eine Mini-Oase für
Helmholtzianer, wer sich dort zu lange bierselig aufhielt, konnte -
Anekdote! - hinterher nicht mehr "embryonaler Zustand" richtig
aussprechen. |
Wenig beobachtet:
Auch damals schon mindestens "two
cultures" im Sinne von C.P.Snow. Exemplum: Ein
Mitschüler wunderte sich darüber, dass eine Binnenerzählung von
Max Frisch "Rip van Winkle" thematisierte. Ob der
Schriftsteller wohl
auch die Comic-Vorabend-Serie mit dem nämlichen Titel
kenne. |
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Helmholtz-Gymnasium,
Mitte der Sechziger Jahre, freier Blick nach Lessenich
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Click
it
SMV-Propaganda anlässlich der Wahlen zum
Schülersprecher - ein Plakat von Peter Brinkemper, aufwändig mit
Skriptol gezeichnet in jenen Jahren, die noch Tusche, Schablonen und
Letraset benötigten. Die Arbeit mit der Matrize erscheint heute wie
ein Quälkapitel aus der Medien-Steinzeit. Der Schulcomputer kannte keine
relevanten grafischen Anwendungen. |
Die SMV-Geschichte ist
noch zu schreiben: M.E. war das chronologisch so: Wahlen zum
Schülersprecher, Wolfgang Palm gewählt, Februar 1973, Stimmen 648, SMV-Team
anschließend durch Schülerrat (Präsident Stüttgen) weitestgehend bestätigt. Das Team sah
wohl so aus: Anke Schlottfeldt, Stellvertreterin, Hellmut Ottinger, Informationen, Edgar Schwietzke,
Schriftführer, Heinz Hentschel, Fachkonferenzen, Jürgen Geffers, Finanzen,
Christian Hinze, Rechtsangelegenheiten, Ulrich Franz, Archiv,
Werner Werthmann, Sport, Michael Krause und Jan Mensching, Kultur.
Vertrauenslehrer war Herr Würdig. Wer war noch
beteiligt?
Die Ressorts waren jedenfalls nur insoweit wichtig, als
die Mitarbeit durch das jeweilige Amt betont wurde. Insgesamt währte
unsere SMV ca. 15 Monate, also meiner Erinnerung nach bis Mai ca. 1974.
Dann wurde die Arbeit demonstrativ eingestellt, weil die "Partizipationsansprüche", die inzwischen vom Zeitgeist infiziert waren und
dementsprechend hochgeschraubt wurden, nicht ausreichend berücksichtigt
wurden. Ich erinnere mich, dass Ulrich Franz dem Direktor anlässlich
einer Schulkonferenz mitteilte, es gäbe demnächst neue Regelungen, dass
die Schüler zu 50 % Sitzen respektive Stimmen an Schulentscheidungen
beteiligt würde. Radikale Mitbestimmung. Vorangegangen war eine Klausurtagung mit einem wunderbar radikalen
Programm, als Quasi-Manifest mit einem eindrucksvollen Cover: Die Bremer
Stadtmusikanten als umgekehrte Pyramide. "Irgendetwas müssen wir
falsch gemacht haben." Das Ende der Schülermitverwaltung sah einen SMV-Raum
mit einem Sandkasten, der die Sandkastendemokratie "Schule"
symbolisch vor Augen führte. Die Schulleitung, sprich: Dr. Wilhelm
Schüttler, hat sich darüber sehr
geärgert, was eigentlich erst durch die Nichterwähnung der maßgeblichen
Akteure im Rahmen von
Abitur-Prämierungen deutlich wurde. |
Wahrscheinlich war es damals eine
Blamage für eine Schule, keine SMV zu haben. Der Vertrauenslehrer
war vermutlich so eine Art Rationalisierungsprogramm mit
Kontrollfunktionen, um die jederzeit politisch gefährdeten Schüler nicht
zu sehr aus dem Blickfeld zu verlieren. |
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Schulspiegel Nr. 2,
Herausgeber Wolfgang Palm und Hellmut Ottinger, Mitarbeit Roger
Willemsen und Käthe Jowanowitsch. Das Design (oben Orginalcover
mit Federzeichnung von Palm) war -
gelinde gesagt - grotesk und die Mittel in jenen computerlosen
Zeiten bescheiden. Immerhin gelang jenem Projekt, was diverse
Versuchen, eine Schülerzeitung zu machen, scheitern ließ: In
kürzester Zeit würde die Finanzierung durch die Duisdorfer
Geschäftswelt, Blumen Brünker, Schuhe Effertz, Fahrschule Kalke,
Schallplatten Janke, Lebensmittel Alfred Piel etc.,
sichergestellt. |
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Helmholtz-Gymnasium,
Mitte der Sechziger Jahre, Rückansicht (Hausmeister-Pavillon rechts,
weiland Hausmeister Nelles mit dem großen Schäferhund)
Helmholtz II - Die Legende geht
weiter....
Die ungehaltene
Abiturrede von Peter Brinkemper >>
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