Örter/Masse/Menschen
Dutzendgesichter.
Immerhin schärfen diese schlecht erinnerbaren Gesichter den Blick
für Physiognomien, an denen gearbeitet wurde.
Masse. Der
Begriff ist verwerflich und in Zeiten der medialen Zerteilung von Öffentlichkeit
kaum geeignet, heuristischen Gewinn abzuwerfen. Selbst wenn die "Masse
wie ein Weib" (Hitler) reagierte, spricht das nicht
gegen, sondern für sie. Der "Führer", unbesiegt im
Ehebett, erkannte nicht, dass seine Rhetorik nur eine Penetration auf
Zeit war, nach dem Rausch kam die Ernüchterung. Post coitum...
Stadtfantasie I.
Urban Bushmen - kein Bezirk der lüsternen Körper, der nicht
bedient würde von der Sklavenmoral der willfährigen Dinge
die locken und gefallen wie schwarze Nebenfrauen im türkischen
Bad des Orientalisten, der noch mit Klistier und Kohle konturierte.
Hier ist von der Imagination noch wenig zu spüren. Zugreifen,
benutzen, wegwerfen, Warenschmeicheleien für
Kreditkartenraptoren. Schmuck und Dreck auf blutrotem Samt, Seide oder
grauem PVC. Brilliantaugen olfaktorische Landschaften aus vorgeblicher
Natürlichkeit und glibbernder Künstlichkeit.Versteckt hinter
dem Schleier der Maja ein entflammtes Rubinauge in der imaginären
Splitterlebenswelt.
Alte Hauswände.
Zentralpoesie der Stadt: Hauswände, die im Gegenwärtigen
nicht von Geschichte künden, sondern Geschichte sind. Eine Stadt
wie ein Wunderblock, mit unendlich übereinander liegenden Spuren.
Häuserzeilen.
Städte verleiten zu schreiben, weil sie Sätzen gleich sich
zu einem Text verdichten, ein riesiges Palimpsest bilden oder nach
Freuds Vergleich, einen Wunderblock der Spuren unter den Spuren. Es
ist einfach, einer Stadt schreibend zu folgen, weil sie den Stoff und
die Struktur des Textes in unzähligen Varianten anbietet. Ulysses
und Berlin/Alexanderplatz sind herausragende Beispiele für die
Selbstschreibung der Städte in ihren Geschichten.
Ur-Schock.
Der Schock des Urbanen entzündet sich. Jede Stadt erinnert ihren
eigenen Urknall in den von den Surrealisten und ihrem Ahnherren Lautreamont
erträumten zufälligen Bewegungen der Dinge und Menschen. Die
Strahlen der Vernunft, die einen schwarzen Vorhang durchdringen. Poröse
Dogmen, die sich zur permanenten Zusammenkunft des Zusammenhanglosen
wandelen. Der vormals dissonante Lärm verfugt sich in den
postmodern konditionierten Sinnen zur fragilen Konsonanz. Wildwuchs
der Zeichen, promiskuitiv und schicksalsergeben....
Sachdemobilisierung.
Ein Amt mit der Aufgabe, sich überflüssigen Kriegesgerätes
zu entledigen. Solche Ämter wären nicht nur für
Kriegsgerät zu institutionalisieren.
Städte. Jede
Hauptstadt hat noch - zum Ende des zweiten Jahrtausends gesprochen -
Besonderheiten. Aber wie können diese Unterschiede
zusammengefasst werden? Welche Begriff stehen für Atmosphären
zur Verfügung, die wir als mixtum compositum erleben. Unsere
Affinität zu dieser oder jener Stadt gibt uns Anhaltspunkte über
unser Selbstbild. Ein Heer von Schriftstellern zehrt von diesen
Stimmungen. Numinose Zustände.
Gitanos in
Madrid. "Lustig ist das Zigeunerleben...". In kleinen Hüttensiedlungen,
gezimmert aus Holzabfällen und Wellblech sind die Gitanos
zuhause. Sie leben von den Abfällen der Stadt. Altmetall ist das
kostbarste Gut der Zigeuner. Ihr Ehrenkodex definiert sich außerhalb
des Rechtssystems. Heirat, Flucht aus dem System der Vorväter,
Streitereien um Macht und Ehre, wo es keine Macht und Ehre mehr gibt.
Der Stolz der gitanos ist eine autistische Prätention wider ihr
Außenseitertum.
Heimische Exotik.
Italien war den Wirtschaftswunderkindern das Camping-Reiseland par
exellence. Chianti unter bunten Glühbirnen neben dunkelhaarigen
Schönen galt als des Spießers höchste Lust. Weg von
der Hausmannskost. Übrig geblieben ist der Pizza-Hut und Reprisen
der 50er-Jahre. Aber Heinz Erhardt verlächerlicht sich in
unserem stählernen Zynismus zur Unkenntlichkeit. Die treuherzige
Gemütlichkeit, die als Bollwerk gegen die Erinnerungsstacheln
aufgebaut wurde, hat ihre Schuldigkeit getan.
Frankfurt.
Schwellenängstliche Eingänge der Banken. Die
Spiegelglasfassaden stehen für die Intransparenz der Geschäftemacher.
Wie eine unwirkliche Skyline ziehen die Banken vorbei, eine zweite
Horizontlinie, die das Kapital präsentiert. Die Kultur zieht
inzwischen ab. Übrig bleiben schlecht beatmete Museumsinseln.
Zürich.
Wo bitte geht's zur Bahnhofstraße? Immer geradeaus, sie können
sie nicht verfehlen. Der andere steigt die Spiegelgasse hinunter,
polychronische Verhältnisse. Lenin und Hugo Ball
haben hier gehaust, dada...die Rekonstruktion der Konten reicher
Juden, die während der Verfolgung fliehen mussten, fällt den
verschwiegenen Eidgenossen schwer. Zürich ist eine Stadt,
deren Reichtum politische Raisonements auslöst, aber zugleich
belegt, wie schön Geld angelegt werden kann. Schließlich:
das Verhältnis von Uhren und Geld. Zeit, eine Erfindung der
Schweizer?
In der U-Bahn.
Mann gegen Mann und jeder gegen seinen Nächsten. Sie werden frech
auftreten, der Junge gegen den Alten und der Verachtete gegen den
Geehrten. So wollen wir den Pastören das Wort reden. Erwischen
wir uns ohnehin immer öfter, die verworfenen Formeln im Modus des
"als ob" gegen das Nichts einzutauschen.
Rhode Island.
Wir erinnern Orte, die wir nie gesehen haben. Wie eben Rhode
Island, Long Island... In einem Film erzählt ein Killer über
seine Kindertage in der Bronx, Hydranten öffnen, Passanten
bespritzen... daneben Fetzen von Bildreportagen: abgewrackte Häuserzeilen,
schäbige Straßenkreuzer - ich bin da gewesen. Dagegen Iowa,
Weizen, Mais, Agrikultur, guter Boden, frische Luft - ich erinnere "Foreign
affair" - also war ich auch in Iowa. Ich kenne jeden
amerikanischen Bundesstaat, wenn ich je nach Amerika fahren sollte,
werde ich Erinnerungen auffrischen.
Disneyworld.
Wachsfigurenkabinett für Erlebnismüde.
London, 1966.
Eine postkoloniale Schatztruhe, British Museum, Victoria and
Albert Museum, Imperial War Museum, Schlachen mit Airfix-Soldaten,
Commonwealth Museum... Old Curiosity shops, vergangenheitsgeladen,
alte Vitrinen mit Relikten einer großen Zeit. Eine Dingwelt, die
Afrika und Indien in alten Farben präsentiert. Im Natural History
Museum alte Skelette von Dinosauriern, Triceratops aus uralten braunen
Knochen, Schulkinder in Uniform zeichnen die Urzeit. Schmutzige Vorstädte
mit billigen Tageskinos, der Abfall bildet einen zweiten Teppich, the
"Wizard of Oz" mit Judy Garland in Technicolor,
artifizielle Plastikwelt. Mit der "Underground" zurück,
Piccadilly Circus, Leicester Square, Hammersmith Odeon, Portobello
Road. Fish and chips, das fettige Nationalgericht, Christopher
Wren, Westminster Cathedral. Die Sandstrahlgebläse haben noch
nicht die dreckige Patina entfernt, dunkle Steine garantieren für
Geschichte, leider wird die Stadt bald schöner werden müssen.
Schwarze
Kleptokratie. Wie unberührt verfahren andere Länder mit
der Korruptheit. In Nigeria ist Korruption eine sozialadäquate
Kondition des Zusammenlebens. Korruptokratien sind eine Spätform
des abgeschmierten Kolonialismus. Aus den Verdammten dieser Erde
werden die Angeschmierten der dritten Welt. In Nigeria, dem ölreichen
Land an der afrikanischen Westküste, wuchern die Metastasen. Die
Kriminalität, insbesondere Korruption und Straßenraub,
belegen die Entwurzelung nach dem Ende des Kolonialismus. Alte Werte
sind nicht verfügbar. Alles beherrschend: Geld. So leben sie
dahin. Die Regierung bestiehlt das Volk. Das Volk raubt sich selbst
aus. Der Verwaltungsapparat ist - so weit überhaupt existent -
korrupt bis auf die Knochen. Politik wird gespielt, eine Art
Spielszenario mit tödlichen Verlaufsformen. Religionen zwischen
Voodoo, Christentum und Islam können sich behaupten, solange sie
die Selbstbereicherung aller gegen aller nicht behindern.
Clash of
civilizations. Es fällt schwer zu glauben, dass in Zukunft
kulturelle Zusammenhänge wie Islamismus, Hinduismus,
Konfuzianismus oder Buddhismus Brüderschaften gegen
Weltwirtschaft und globale Technologie begründen sollen. Sind
diese Altkulturen nicht abgewirtschaftet und bäumen sich vor dem
verdienten Niedergang auf? Sollen uns religiös, tribalistisch
oder ethnisch veranlasste Bürgerkriege anderes glauben lassen?
Der religiöse Fundamentalismus reagiert auf die fundamentale
Krise des Glaubens, die längst auch den Islam eingeholt hat.
Kurzsichtig wäre es, den Fundamentalismus als außereuropäisches
Selbstbewusstsein zu inaugurieren. Widerstand als Stillstand hat keine
Perspektive. Nur über den Bruch mit tradierten Bindungen hält
ein Bewusstsein Schritt mit der rasanten Schnelläufigkeit einer
Technokultur. Die neuen Demiurgen glauben nur an ihre eigene Schöpferkraft.
Die Selbstanklage des Euroamerikazentrismus übersieht, dass
Zivilisation/Kultur selbst antiquierte Begrifflichkeiten sind. Hier
wird über die Selbstreflektion der eigenen Bedingtheiten das
Fremde wieder eingemeindet - diesmal als das autonome Fremde. Worüber
man nicht reden kann, darüber sollte man schweigen. Für die
Selbstbescheidungsdiskurse der gedämpften Herrschaftslüste
gilt das umso mehr... In dieser Paradoxie wird aber die eigene Kontur
verwischt, ohne Perspektiven anzugeben, wie denn Technologie in
Fremdkulturen aufzuheben wäre. Technologie mag Konsequenz
westlicher Welterschließung sein. Aber die Resultate sind so
gnadenlos objektiv, dass die außereuropäischen Ideen eher
als Glasur der zweiten, dritten oder vierten Natur erscheinen. Es gibt
keine kulturelle oder zivilisatorische Alternative zu den Technologien
des Computers, des Autos, der Flugzeuge, der Medien - allenfalls
technologische Alternativen. Technologie ist evolutionär und
ideenfeindlich. Auch die Inquisition ereignete sich im Zeichen des
schleichenden Machtverlusts der Kirche. Nicht anders heute das
erodierende Christentum im Museumsreich des Vatikans, der merkwürdige
Pakte zur Beschwörung seiner Identität eingeht. Wer Macht
hat, kann gelassen bleiben. Religiös begründete Kultur ist
gegenüber der Digitalkultur, gegenüber der Majestät des
Computers und seiner virtuellen Paradiese zukunftslos. Auch Politik
verkümmert zur Medienfrage nach den Einschaltquoten. Wem das
nicht sofort einleuchtet, der belegt allein seine Antiquiertheit. Wir
wollen das nicht mal beweisen, wir trinken ein Tässchen Tee und
warten ab. Erstaunlich die Hartnäckigkeit mit der alte Katgorien
aufpoliert werden, ohne dass sie glänzen würden. Aber
irgendwer spielt immer den Friedhofsverwalter, ohne seine Stellung zu
kennen.
Linke
Seifenopern. Rote Pioniere als Ministranten des jeweils Großen
Vorsitzenden. Die ideologischen Verbrämungen der kapital-
kommunistischen Verhältnisse Rotchinas entsprechen nicht dem
westlichen Standard. Physiognomien, Farben und die übrigen
Leichtigkeiten des Seins entlarven unmittelbar die Repressivität
des Systems, das inzwischen seinesgleichen sucht. Insektoide
Lebensverhältnisse, politisch unkorrekt beschrieben.
Multikulti.
Wir beobachten politische Wertsetzungen, die auf Mehrheiten bei
gleichzeitigem Minderheitenschutz gründen. Weltbilder religiösen
Ursprungs bleiben inkompatibel. Schließlich finden wir die
paradoxe Programmatik einer multikulturellen Gesellschaft, die
Pluralismus und Wertvermittlung faktisch nicht in ein Verhältnis
einbinden kann. Der herrschaftsfreie Konsens widerstrebt den
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Kompromisse, Bündnisse,
fluktuierende Regeln sind die Folge. Die Fiktion der Verständigung
mit den anderen bei gleichzeitiger Achtung partikularer Interessen löst
permanente Störfälle aus. Wie viel Respekt verdienen fremde
Religionen, Sitten und Gebräuche? Ist Blutrache verwerflich oder
mindert sie die Schuld der Täter? Fremde Mentalitäten lassen
sich schlecht in unsere pseudoratio-nalistischen Verfassungen
einbauen. Der interkulturelle Diskurs ist eine intellektuelle Fiktion,
die vermutlich von der Interkulturalität von Coca-Cola und
McDonald überholt wird. Wer sich vor den Fundamentalisten ängstigt,
den Islam für weltrevolutionsverdächtig hält oder den
Chauvinismus für die Gesellschaftsverfassung der Zukunft erklärt,
unterschätzt die einigende Kraft der Wareninformation.
Ausweg aus dem
Elfenbeinturm. Ein Schnellimbissrestaurant. McDrive. Vermutlich
ohnehin die poetischsten Orte des alten Europas. In Rothenburg auf der
Tauber hat McDonalds ein altes Handwerksschild zum Zeichen für
das handwerkslose Essen installiert. Etikettenschwindel neben alten
Betrieben, denen die Butter vom Brot genommen wird. Aber Mitleid will
nicht groß werden, wenn die Einheimischen den Touristenstrom
sehnsüchtig erwarten, bis schließlich die transnationalen
Kraken mit ihrem weichen Kolonialismus die "places of interest"
überziehen. So verkommen die romantischen Stätten zu
touristischen Onaniervorlagen der Hochglanzbildbände. Unberührte
Natur wäre nur eine, die nicht fotografisch entjungfert wäre.
Einheitskultur.
In dem Diskurs der Einheitskultur wird lokale Kultur entweder als
schutzwürdiges Biotop oder fallende Bastion vorgestellt. Mag auch
nicht der Untergang des Abendlandes drohen, so sei doch seine
Eingemeindung in supranationale Zusammenhänge zu erwarten. Im
europäischen Schulterschluss gilt das Subsidiaritätsprinzip,
dass die Eigenarten lokaler Kulturen schutzwürdig sind. Aber die
Europäische Union ist selbst im Globalisierungssog der Medien und
es kann bezweifelt werden, ob Regelungen ausreichen, kulturelle
Eigenarten zu erhalten. In diesen Gegenüberstellungen globaler
und lokaler Kultur zeigt sich die Unsicherheit gegenüber
kulturellen Entwicklungen, die - paradoxal formuliert - in einer immer
währenden Umbruchsituation unabsehbar geworden sind. Nun ist das
wenig erstaunlich, weil schon der Begriff der Kultur historisch immer
wieder auf Neubesetzungen stieß und die Kritik, im großen
Abstraktum der "Kultur" viele Manifestationen einzuebnen,
jede Diskussion begleitet. Kultur könnte danach
selbstreferenziell als das Paradox eines Begriffs bezeichnet werden,
der auf der Suche nach sich selbst ist. Auch hier hat das Allgemeine
die Untiefen geschaffen, die es ausloten will. Hier könnte
zugleich ein Plädoyer einsetzen, den Begriff der Kultur selbst
als obsolet aufs Altenteil zu bescheiden: Kultur als der vergebliche
Versuch, menschliches Handeln aus einem Begriff heraus zu verstehen.
Vorzugwürdig gegenüber begrifflichen Klärungen scheint
das Modell, nach den Umbrüchen der Kultur zu fragen, ohne der
Totalisierungsfunktion des Kulturbegriffes zu erliegen oder den
Globalismus als unbestreitbares Faktum zu unterstellen.
Gold. El
Dorado ist eine europäische Bewusstseinsform, wie man anderswo
Reichtum und Glück findet, schließlich aber nur brennende Dörfer
und Wälder zurücklässt. Wo liegt heute El Dorado?
Goldplomben im Gebiss der Stadt, die wir nicht zu ziehen wagen, weil
darunter Karies blüht.
Gemeinsamkeit.
Ein Tal aus Samt, stählerne Wasseroberflächen,
Marmorhaut...
Eifel. Dass
nun ausgerechnet die kaltöde Eifel wundersam mit dem Techno-Nabel
der alten Welt, dem Eifellturm, über den Namen des
Erbauers verbunden ist, gibt einen weiteren Hinweis auf das
namentliche Ironiepotenzial der Verhältnisse.
Pyramiden I.
In harten Jahren Myriaden von Steinen zusammengeschleppt. Eine
Verschwendung von Stein und Fleisch im Dienst unsterblicher Herrscher.
Die Fron ließ sich nur mit Hilfe identitätsschwacher
Bewusstseine lösen. Sind die Wolkenkratzer, Bank- und
Verwaltungsreisen etwas anderes? Auch hier geht es um Ausbeutung und
Todesversicherung. Nur die Begründungen und Vollzugsformen wurden
dem neuzeitlichen Bewusstsein angepasst. Aber Dignität wird heute
auch nur in Beton, Stahl und Umsatz definiert.
Pyramiden II.
Schlechte Zeichen, wo allein riesige Steinkugeln, die kein Mensch
hätte bewegen können, den Glauben an die Transzendenz belegt
hätten. Göttliche Denkmäler sind zumeist durchsichtig.
Sie verweisen auf die menschlichen Erbauer und nicht auf ihr göttliches
Desiderat.
Schwarz/Weiß.
Das Verhältnis Afrikas zu Amerika/Europa hat sich noch nicht aus
dem Kolonialstatus befreit. Hellhäutige Schwarze betrachten sich
als privilegiert, die besseren Menschen. Konflikte wie in Liberia
zwischen ehemaligen amerikanischen Sklaven und Alteingessenen belegen
das unveränderte Paradigma schwarzen Selbstverständnisses.
Das oktroyierte Vorurteil beherrscht indes die Semantik: Black work
etc. Black is beautiful. "Say it loud, I´m black and proud"
und ähnliche narzisstische Selbstbeschwörungsformeln
schwarzen Selbstbewusstseins haben keine entscheidende Wende in der
Selbstbehandlung der Schwarzen signiert. Nelson Mandela und
andere Renommierschwarze entlasten das euroamerikanische Gewissen.
O.J.Simpsons Fall belegt dagegen - ähnlich wie Rodney
Kings Fall - die unveränderte Empörungsbereitschaft
Schwarzer gegen Diskriminierung. Die Diskriminierung macht klar, dass
formale Gleichheit ein schwacher Garant in einer Gesellschaft ist, die
unterhalb ihrer verlogenen politischen Korrektheit feudalistisch ist.
Zehn kleine
Negerlein. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht
zu sorgen. Wie mitleidensimmun gegenüber den Bildern des
afrikanischen Kindersterbens. Bleibt politisch korrekt: Esst keine
Negerküsse! Zu viel mehr reicht es dann doch nicht. Was wäre
mit einem Soli-Steuerabzug in Höhe von 50 % für die immer
noch Verdammten dieser Erde?
Sils Maria.
Ein metaphorischer Ort zwischen Tiefe und Höhe. Der Rest ist
Philosophie. Ein schönes Bild nach Adorno: Nietzsche
mit einem roten Regenschirm, gefüllt mit Steinchen, die sich über
ihn ergießen, wenn er ihn öffnet. So mutierte das schwerste
Gewicht der Welt, der Stein von Silvaplana, zu einem Steinregen für
Lehrer Lempel, angeschmiert von bösen Buben. Zarathustra
- eine Erscheinung zwischen Größe und Schabernack.
Soglio. Der
Vorschein des Paradieses im Oberengadin. Diesen Anspruch können
freilich andere Landschaften auch reklamieren. Wäre zuletzt die
Vorstellung des Paradieses aus der Landschaftserfahrung abgeleitet?
Gott, Himmel, Engel etc alles Landschaftsbilder? Die Feuerbach-These
ist viel umfassender zu nehmen, das Anthropozentrische in allen
Konstruktionen aufzuspüren. Das Göttliche ist nicht mehr als
der menschliche Generalblick auf eine entübelte Welt des
Irdischen. Das Vorstellungsvermögen des Menschen reicht nicht
hin, ein Paradies der Götter und Engel zu beschreiben.
Der Zauberberg.
Wenige Orte, die dieses Flair heute noch besitzen. Pontresina
vielleicht. "Monte Verita", Hesses heimeliger Hort,
mühsamselig, "laband" an Körper und Geist, war
einer dieser Aussteigerorte ohne Rückkehrgarantie. Zerstoben in
zwei Weltkriegen...
Eurasien. Ein
tanzender Shiva im Exotic-Shop, nehmen wir ihn als Signum der
Asiatisierung Europas. Wenn sich die Kulturen abgleichen, ist kein
Platz mehr für Multikultis. Die Orient-Läden als west-östlicher
Diwan, während die Fundamentalisten unsere Haremsträume und
Wasserpfeifenfantasien stören. Die Taliban haben uns endgültig
den Glauben an den Propheten genommen.
Umzug. Kurzes
Nomadentum der Bürger, tagelanger Verlust der Heimat, um sie aber
zugleich wieder zu finden. Kurze Momente, um der Sesshaftigkeit, die
ein Vergessen ist, eingedenk zu werden.
Europa. Auf
dem Stier, an den Hörnern der ökonomischen Interessen sich
fest haltend, fliehen wir mehr vor der Geschichte als dass wir sie
hinter uns gelassen hätten. Aber der politische Schulterschluss
der noch mächtigen Nationen kaschiert nur die ökonomische
Endlösung globalisierter Unternehmen.
Eroberung
Mexikos. Eine Bilderserie im Stil Posadas, Knochentrommler
und Skelettsoldaten, Marzipanschädel bleich und süß,
Meister des Todes aus Mandeln, Milch und Schokolade. Pancho
und Emiliano machen es sich für einen kurzen, aber
historischen Moment auf dem Präsidentensessel gemütlich. Die
Teufel haben ihre helle Freude an der Unschuld ihrer
Revolutionsarmee...sein Körper im Sand, sein Kopf wird von den
Pferdehufen weggerissen. Ameisen kriechen über seine Augen. Wer
die südamerikanische Grausamkeit sucht: Azteken, Cortez,
Jodorowsky, Arrabal. Viva Zapata. Viva la muerte.
Ungeziefer. Das
Böse im Wertsystem der Biologie.
Biotope der
Erinnerung. Immer wieder Wohnungen und Rattenlöcher, Wohngeld
für Abstellplätze, Kemenaten mit schimmelnder Tapete,
Kakerlaken als Untermieter, kein Platz zum Leben, wenig Sinn für
humanen Luxus, Scheuklappen, nichts rechts nichts links des Weges.
Zustände gegen Zustände eintauschen. Wenn jeder Zustand nur
nach einer passenden Wahrnehmung sucht, gibt es keinen Grund,
unzufrieden zu sein. Quadratur des Menschen in den göttlichen
Zirkeln. Ein Zirkelschluss, der sich in den Antinomien einer sozialen
Geometrie verfängt. |