Der globale Kampf um Logos zwischen Nike,
FPÖ und Sweatshops
Am Anfang war das Logo. Und das Logo war Gott. Logos, Marken, Warenzeichen, Brands sind
Götter der Neuzeit, zumindest reklamieren sie Ewigkeit: "Maschinen verschleißen.
Autos rosten. Menschen sterben. Doch
was weiterlebt, sind die Marken", beschreibt euphorisch der
Kekshersteller Hector Liang den erhabenen Markenkult. Zuletzt geht es beim
Unternehmenskalkül auf die zahlungskräftige Aufmerksamkeit noch um Produkte. Ein T-Shirt
ist ein T-Shirt ist ein T-Shirt? Von wegen
entscheidend ist allein, wie die Billigbaumwolllappen "gebrandet" sind.
Für Nike-Chef Phil Knight gilt das Firmenmotto: "brands, not products". Kein
Wunder also, dass der US-Sportleibchen und -puschenhersteller Nike die Nähe zur
österreichischen Rechtspartei FPÖ wie der Teufel das Weihwasser fürchtet. Corpus
Delicti: ein FPÖ-Plakat, auf dem sich
Parteichefin Susanne Riess-Passer und ihre Eminenz Jörg Haider zwischen lächelnden
Kindern präsentieren und horribile dictu - ein Kind ein Nike-Shirt trägt. Die
FPÖ lässt verkünden, dass man keinesfalls das jugendliche Image von Nike für eigene
Zwecke einsetzen wolle. Ja mehr
noch: Man habe das 15 Zentimeter große Logo auf dem T-Shirt nicht einmal bemerkt.
Dass (Polit)Werber nicht bis zum letzten Pixel registrieren, was sie zeigen, bevor sie
ihre "Message" der überreizten Öffentlichkeit einmassieren, würde eine
historische Wende in der hohen Kunst der Werbung markieren, wenn es nicht lediglich eine
hohle Schutzbehauptung sein sollte. Zumal das nicht der erste Konflikt zwischen Nike und
FPÖ
ist. Bereits vor drei Jahren hatte die um frisches Deodorant für ihren politischen
Fußschweiß besorgte Partei für Werbeartikel ein Logo gewählt, das dem des
Sportdressgiganten ähnelte. Und bei Logos fängt
der Spaß der Warenwelt nicht nur an, sondern er hört dort sogleich auch wieder auf.
Götzendämmerung
Nun sind globale Weltunternehmen, die Megaverkäufer der Textil-, Sprudel- und
Hamburgerbranche, nicht erst seit Naomi Kleins "No Logo" selbst ins Sperrfeuer
einer angewiderten bis kritischen Öffentlichkeit
geraten ( »Die virtuelle Welt real machen« [1]). Die ökonomisch inhumane Beziehung
von Logos und Sweatshops in Asien und anderswo hat
längst weltweite Proteste gegen Kinderarbeit und die Ausbeutung von Billiglohnländern
ausgelöst. Nike und Kinderarbeit in Vietnam, Barbie und Sweatshops in Sumatra oder Shell
und Menschenrechtsverletzungen in River-State/Nigeria werden inzwischen gemeinsam vor dem vernetzten Tribunal der
Antilogokämpfer verhandelt. "United Colors of Resistance" gegen Benetton und
all die anderen Hochglanzweltverkäufer.
Zwischen politisierten Arbeitern in der dritten, vierten oder fünften Welt und
Solidaritätsgruppen in Berlin, Amsterdam, Sydney, London, Hong Kong, Washington oder
Toronto sind die Wege kürzer geworden, als es den fröhlichen Logokraten lieb sein
könnte. Von Billboard Liberation Front [2], Billboard Utilising Graffitists Against
Unhealthy
Promotions [3], Clean Clothes Campaign [4] - speziell zu Nike [5] -,
Campaign for Labor Rights [6] bis zu Sweatshop Watch [7] entstehen Netzwerke von
Websites, Foren und Mailinglisten, die sich gegen das weltumspannende
"Logoscape" der Ausbeutung und dessen aggressive
"Crossover-Promotions" wehren.
Während der Markenschutz juristisch permament verstärkt wird, stehen plötzlich die
strahlenden Logos in einem globalen Zusammenhang, der von den Konzernen immer dann
ausgeblendet wird, wenn es um die Schattenseiten des Profits geht. Zwischen
Situationismus,
Dekonstruktion und der "Mimesis ans Verhärtete" (Adorno) erleben die
paramilitärischen Strategien der Werbung nun ein quälendes Feedback.
"Star-spangled-banner" von Hendrix richtet sich als globales
Maschinengewehr nun auch gegen die Global Unfair Players. "Adbusters"
dekonstruieren Werbeslogans, protestieren in "Ortsterminen" vor den
Konsumpalästen von Nike wie anderen und reanimieren in "Shoe-ins" die alte
Agit-Prop-Fröhlichkeit der 68er. Sie haben die Botschaft des
amerikanischen Brandingspezialisten Al Ries (Autor von "Die
unumstößlichen Gebote des Branding") also gut verstanden: "Ein
Brandingprogramm sollte bewirken, dass sich Ihre Cash-Kuh klar von anderen auf der Weide
unterscheidet. Sie dürfen dabei ruhig den Vergleich mit der Tätigkeit auf einer Ranch
heranziehen: Das
Brandzeichen dient dazu, Verwechslungen auszuschließen. Ein erfolgreiches
Brandingprogramm basiert auf dem Konzept der Einzigartigkeit." Aber die Cash-Kühe
sollen jetzt von den fetten Weiden vertrieben werden. Hart umkämpftes Terrain, das von
den Markenherrschern besetzt gehalten wird: Hinter dem Logo steht die hässliche Logik der
Freibeuterwirtschaft, der Terror der Ökonomie, das
Elend des Outsourcing, das hartnäckig geoutet wird. Der Kampf ums Logo, die
Antikolonisierung der Lebenswelten hat nicht erst heute begonnen. Hieß es doch schon
zuvor "Jute statt Plastik" und zum Frühstück nur
gewaltfreier Kaffee aus Nicaragua und naturbelassener Fenchelhonig - trotz der fehlenden
Pumuckel-Aufkleber von Nutella. Aber mit dem Internet sind die Markenrebellen und
Antilogistiker zu erheblich schnelleren und präziseren Attacken in der Lage, als es die
Globalkritiker früherer Tage sich je hätten träumen lassen. Zwischen
Internetforen und Straßenkampf entsteht auf den Wirtschaftsgipfeln von Seattle, Prag,
Davos bis Genua eine riesige imaginäre Shopping Mall, auf der die "Branded
Youth" für Menschenrechte auf die plakatverklebten
Barrikaden geht und etwa "Nike" zu "Riot" umfunktioniert.
Du gehörst zu mir wie mein Logo an der Tür...
Während die "Big Brands" sich der Demontage ihrer Logos erwehren müssen, haben
aber nicht nur die Logos der "Adbusters" weiterhin Konjunktur. "Das T-Shirt
ist geschlechtsneutral und paßt gut zu schwarzer, weißer, gelber und roter Haut. Das
Bekleidungsstück der Informationsgesellschaft bietet auf Brust und Rücken Werbeflächen
für ethnische, erotische und politsche Appelle der Trägerin/des Trägers" (Beat
Wyss, Die Welt als T-Shirt, Köln 1997, S. 127). Das T-Shirt als Werbefläche der
Identität kommt nun allenthalben mit Selbstbeschreibungen einher, die den Träger und
nicht länger Unternehmen logifizieren. "Esprit" hatte bislang jedermann, ohne
deshalb Geist zeigen zu müssen. Wer nicht länger als kostenfreier Werbeträger von
"Prada" oder "Gucci" herumlaufen will, entscheidet sich jetzt für
"Autobranding". In der ironischen Selbstlogifizierung zwischen
"Bestie", "Schlampe" oder "Luder" werden die Abgründe der
Person auf das allfällige Logo reduziert. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts gab Adolf Loos
die frühe Parole "Ornament ist Verbrechen" aus, obzwar Theodor W. Adorno (der
Geschmückte) glaubte, den Verzicht auf das Ornament als Humanitätseinbuße entlarven zu
können. Bei der neuen Logoseligkeit sind jedenfalls das decorum der Identität und
"human touch" angesagt. Liebe, Lust und Luder fordern das Gegenüber zur Ex- und
Hopp-Kommunikation auf. Kauf mich, lieb mich, f... mich, auch ich bin ein Produkt,
mindestens so wertvoll wie ein Fruchtzwerg oder ein kleines Steak. Ganz nach dem alten
Schülerwitz über das neue Mitglied des Vogelschutzvereins, das zur Aufnahme ein T-Shirt
mit dem Spruch "Ich bin gut zu Vögeln" erhält.
Madonna steht rein logomäßig betrachtet - auf Britney Spears und umgekehrt
schade eigentlich, dass Madonna schon geheiratet hat. Hinter den nacheifernden Girlies,
Kids und selbsternannten "Bestien" laufen inzwischen "Cool Hunters"
her, um den Schmetterling "Trend"
rechtzeitig zu erhaschen und eiligst aufs authentische Hemdchen der nächsten Saison zu
brennen. Beim urbanen Überlebenskampf um das bisschen Aufmerksamkeit, die Mensch nun mal
braucht, um zufrieden bis glücklich zu werden, gibt es nur eins: Mein Logo gehört nicht
nur zu mir "wie mein Name an der Tür" (Marianne Rosenberg), sondern sagt mehr
aus über meine Identität als tausend Worte. Quadratisch, praktisch, gut. Soziologisch
heißt das, dass der Kommunikation die Komplexität ausgetrieben wird, keine Zeit mehr
für doppelte Kontingenz (Niklas Luhmann) oder ähnliche
Gesprächsunwägbarkeiten.
Aber Nike hat auch diese individuellen Trends des Zeitgeists längst verinnerlicht und
bietet inzwischen an: "Nike now lets you personalize your shoes by submitting a word
or phrase which they will stitch onto your shoes, under the swoosh." Jonah Peretti
fand die Idee großartig und schickte $ 50, um "sweatshop" auf seine Luxusschuhe
sticken zu lassen. Nike lehnte mit dem Hinweis ab: "Your Personal iD contains
profanity or inappropriate slang". Jonah H. Peretti" sah das anders: "Ich
habe diesen Begriff gewählt, weil ich an die Mühsal und die Arbeit der Kinder erinnern
wollte, die meine Schuhe gemacht haben." Nike beharrte schnöde auf
"inappropriate slang". Peretti dagegen zitierte Webster's Dictionary, demnach
"sweatshop" Standard-English und kein Slang sei. Das bereits sei 1892 bekannte
Wort bedeute: "Ein Laden oder eine Fabrik, in der Arbeiter bei langen Arbeitszeiten,
niedrigen Löhnen und unter ungesunden Arbeitsbedingungen angestellt werden". Eine
solche Bezeichnung müsse aber nach Nikes Stickerbedingungen zulässig sein, zumal es ja
dort heiße, das Programm habe sich der Freiheit der Konsumenten verschrieben, seinem
Selbst Ausdruck zu verleihen. Er sei fasziniert gewesen, seine eigenen Schuhe so gestalten
zu können - als ein kleines Zeichen der Anerkennung für die Sweatshop-Arbeiter. Als die
Hersteller flexibler Sohlen knallhart blieben, hakte Peretti nach: "Könnten Sie mir
bitte eine Farbaufnahme des zehnjährigen vietnamesischen Mädchens zusenden, die meine
Schuhe gefertigt hat?" Darauf wartet er noch heute vergebens... Dass zuviel
Eindeutigkeit bei den politischen oder privaten "Confessiones" zum Sofortverzehr
schadet, musste weiland auch ein Stuttgarter DJ erfahren. Wegen seines T-Shirts bekam er
Ärger mit der Polizei und handelte sich eine Strafanzeige ein. Der junge Mann trug ein
dunkelgrünes T-Shirt mit der Aufschrift "Pozilei". Die reale
"Pozilei" fand das krass bis uncool, so sei doch das T-Shirt der offiziellen
Polizeikluft zu ähnlich. Obwohl die grünen Freunde und Helfer selbst bunte
Kinder-T-Shirts mit Polizeinsignien verkaufen und Herbert Achternbusch ungestraft die
Polizei cineastisch mit dem Logo "Polyzeit" als Müßiggänger outen durfte,
musste der Plattenaufleger der "Pozilei" sein Baumwollleibchen wegen Missbrauchs
von Titeln, Ehrenabzeichen und Berufsbezeichnungen gemäß § 132 a StGB abgeben. Und was
war mit jenem Jungen von der Greenbriar-Highschool in Georgia, der im
"Pepsi"-T-Shirt in die Schule kam und wieder nach Hause musste? Pech gehabt, es
war ausgerechnet "Coca Cola"-Tag: Die Sprudelhersteller klärten die Kinder
gerade über die einzige und wahre Cola der freien Welt auf.
Doch der Kampf gegen die Weltlogokraten lässt sich zum wenigsten von solchen
bürokratischen oder "pädagogischen" Burlesken beirren, wenn er sich - Naomi
Klein zufolge - die Hip- und Coolness ironisch aneignet, um mit den Wa(h)ren-Zeichen der
Macht zu spielen. Früher hieß das straßenkämpferisch bis universitätsproletarisch:
"Macht kaputt, was euch kaputt macht". Ton, Steine und Scherben gegen die
verlogenen Logos, gegen Fassaden-, Schein- und Glitzerwelten. Und auch darüber lässt
sich eine Identität herstellen. Naomi Klein sieht in den
Verzerrungen der Markenimages allerdings einen weltumspannenden Machtkampf und der
Sprachkritiker Fritz Mauthner könnte ihr posthum zustimmen: "Ich verstehe also unter
Logokratie die nicht genugsam bekannte Tatsache, dass die Macht, der die Menschen mehr
gehorchen als irgend einer andern Macht, die Macht der Worte ist". Zwar spricht
Mauthner nicht von Logos, sondern vom "Logos", aber die Kritik läuft auf
dasselbe hinaus. Der Mensch müsse das Wort, das ihn beherrschen will, nach seiner
Herkunft und nach seinem Rechte zur Macht fragen.
Die Rebellen gegen die Logokratie dieser Tage werden die Frage weiter stellen, obwohl die
Antwort sattsam bekannt ist und kein Ethikrat der Welt dem Logozentrismus auf dem Rücken
von Kindersklaven und anderen Wehrlosen Einhalt gebietet. Vielleicht also ist die FPÖ
morgen schon froh, dass einstweilige Verfügungen den länger währenden Einsatz von immer
stärker inkriminierten Markennamen wie "Nike" verboten haben. Andererseits sind
die Beziehungen vielleicht aber doch inniger, als es unseren nur auf der Oberfläche des
Logos kratzenden Betrachtungen erscheinen mag. Goedart Palm
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/7084/1.html
[2] http://www.billboardliberation.com/
[3] http://www.buga-up.org/
[4] http://www.cleanclothes.org/
[5] http://www.cleanclothes.org/companies/nike.htm
[6] http://www.summersault.com/~agj/clr/
[7] http://www.sweatshopwatch.org/
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/9112/1.html
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