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Cinema
Das Kino als
Vorschule des dynamischen Sehens mechanischer Bildsequenzen bereitete das Fernsehen vor.
Das Kino lud zunächst das Fernsehen mit seiner Tradition, den Ansprüchen großer
Gefühle und geschlossener Geschichten auf. Der paternalistische Einfluß des Kinos auf
das Fernsehen blieb nicht dauerhaft. Der cineastische Anteil des TV reduzierte sich in
seiner hypertrophen Programmatik. Pay-TV-Sender, die die verstrichene Filmsaison
nachflackern lassen, betreiben zwar auf dieser Folie des klassischen Verhältnisses der
Medien einen leicht durchschaubaren Medienschwindel. Kino ist aber ohne Großleinwand und
abgedunkelten Zuschauerraum, mithin die Totale des Eingebundenseins in das Medium, nicht
erlebbar. Diese frame-effects sind nicht akzidentiell, sondern die Essenz des Mediums
Kino. Das Kino erzwang in seinem Sog der Abschottung äußerer Einflüsse die
Aufmerksamkeit gegenüber der Welt. Nur so konnte das Kino zur Traumfabrik werden; das
Fernsehen als Medium des Aufmerksamkeitsverlusts ist nicht einmal zur Alptraumfabrik
geworden. Vor diesem verdunkelten Hintergrund war es eine mächtige Propagandamaschine,
die Hollywood und Hitler mit der gleichen Virtuosität bediente(n). In der
kollektiven Dunkelzelle leuchteten die Wochenschauen die erfolgreichen Absetzbewegungen
der Wehrmacht nach Berlin Mitte/Führerbunker ein. Die Szenarien der amerikanischen
Traumfabrik wurden in den Ödnissen des mittleren Westens, vielleicht aber mehr noch in
den südamerikanischen Vorstädten zum Rendezvous mit dem versagten Leben, wenn Rita
Hayworth im Glamour vor Lust und Größe verging. Glamour, Pathos und Emphase
bestimmten nicht nur die Semantik des Mediums, sondern auch seine narzißtische
Verabreichungsform. Die Kinopaläste waren nichts weniger als Zweckbauten und doch nie
etwas anderes: Zentren einer anderen Welt, in deren Sog die unerfüllten Träume
unbedingte Aufmerksamkeit verlangten.
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Im Kino spiegelt sich das Leben schon aus dem
einfachen Grund nicht, weil die Synästhesien, die Zusammenklänge aus Bild und Ton einer
prästabilierten Harmonie entstammen. Kein Wunder, daß der Glaube an die Wahrheit der
laufenden Bilder schwach wurde. Die bisher letzte große Zeit des Kinos waren die
studentischen Programmkinolüste im Schulterschluß mit dem Autorenkino Europas und der
dritten Welt. Der Glaube an die Veränderung der Gesellschaft durch die zur Macht
gekommene Phantasie nährte den Willen zum Kino. Durch die Teilparlamentarisierung der
außeroppositionellen Kräfte, durch das Abgleiten in einen realitätsfernen Terrorismus,
durch den Zweifel an der Wirkungsmächtigkeit der Künste wurde auch das Kino von Godard,
Resnais, Rochas, Faßbinder, Oberhausen etc. in die Filmgeschichte überführt. Für
die Filmgeschichte scheint sich indes auch niemand mehr zu interessieren. An das Kino als
Experiment glaubt Peter Greenaway. Bezeichnend ist, daß Green zugleich
Maler ist. Maler hadern seit Anbeginn der technologischen Reproduzierbarkeit der Bilder
mehr oder weniger fruchtvoll mit ihrem Medium. Warhol hat in seiner
"factory", die gleichwohl nicht dem Fabrikstandard seiner Tage entsprach,
vorgegeben, Technologie und Malerei zu versöhnen. Aber das ist nur Attitüde, Konkurrenz
unter Manufakturbetrieben. Malern erscheint das Kino wie ein Überschuß, der die
isolierte Bilderproduktion in der Manufaktur hoffnungslos anachronistisch erscheinen
läßt. Anachronismen sind aber nur den Fortschrittsgläubigen ein Dorn im Fleisch. Andere
arrangieren sich längst mit ihrer Antiquiertheit. |
Sternchen
Die große Zeit des Kinos ist vorbei. Die
Simulationsmaschine Kino muß sich längst den Herausforderungen des Cyberspace geschlagen
geben. Schwarzes Loch in der Wirklichkeit. Siehe oben: Das alte "Metropol"
in Bonn mit goldenem Baldachin.
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