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Festspielhaus Bonn Beethoven 

 

Der Kampf für und wider das neue Festspielhaus Bonn respektive Beethoven wird Ende März 2010 durch Kurt Masur noch weiter polarisiert: "Die Neunte hier ist eine Verlegenheitslösung." (GA vom 29.03.2010) Entscheidender noch ist aber seine Feststellung zu der bestehenden Halle: "Die Halle ist so wie sie ist, sie ist nicht verbesserbar." Das ist vernichtend. Denn im Klartext heißt das, dass nicht die Erhaltung oder der Abriss das eigentliche Problem sind, sondern allein die Frage, wie man in Bonn überhaupt Beethoven aufführen kann. Gegenwärtig - so die conclusio - hat Beethoven in Bonn zumindest keinen musikalischen Standort. 

 

Auch wir möchten an einer aufregenden Kulturdiskussion dieser Tage teilhaben und präsentieren auf den folgenden Seiten einige Entwürfe jenseits des offiziellen Wettbewerbs um das schönste aller Festspielhäuser, das wenigstens in der Imagination - vor der Kostenfalle und dem Bauskandal - keine Grenzen kennen will. Jedenfalls gibt es zu denken, dass zwar das Festspielhaus weiterhin ein Großthema bleibt, während das "Haus der Bildung" im Juni 2009 auf einmal Finanzierungsprobleme aufwirft. Hinreichend undeutlich ist inzwischen (März 2010), welche Kostenkonsequenzen mit dieser oder jenen Lösung verbunden sind, was vermutlich mit dem Einsatz weiterer Sachverständiger noch weiter verunklart werden kann. Vor dem Bau eines Festspielhauses zu Ehren Beethovens respektive der Stadt steht der unendliche Diskurs, der - wer hätte es auch anders vermutet - selbst ein "Pseudo-Ereignis" (Boorstin) geworden ist und auch dann, wenn alle Argumente längst ausgetauscht sind, hartnäckig weitergeführt wird. Die Regel, dass nur das entschieden werden kann (und muss), was nicht (argumentativ) entschieden werden kann, hindert diese Selbstbezüglichkeiten der Diskussion nicht. Kultur ist also hier wie so oft das Gespräch darüber. 

 

Festspielhäuser sind - medial betrachtet - tendenziell anachronistisch. Musik hören per Kopfhörer nebst Internet ist "state of the art". Wer Festspielhäuser baut, will die Festgesellschaft, die gute, gleichermaßen sedierte wie saturierte Gesellschaft, als Kulturträger. Kurzum, es geht um Kultur, Aufmerksamkeit und Geld in diversen Mischungsverhältnissen. Es ist nicht zu menetekeln, dass auch die "kids" ohne ADS kein dankbares Publikum sein könnten. In der Zeit der knappen Kassen wird die Kunst ohnehin noch mehr Federn lassen. Doch die Transformation der Kulturrezeption ist langfristig entscheidend. Wir werden virtuelle Festspielhäuser erleben, die auf Festplatten respektive Cybernarien entstehen. Dann entscheidet jeder selbst, wie sein Festspielhaus aussieht. Medientheoretisch bis -hypothetisch ist ein Festspielhaus eine gewagte Entscheidung, die nicht dadurch an Risiko verliert, weil Kulturbeflissene hier in einen alten Wichtigkeitsgestus zurückfallen, den wir für obsolet hielten. 

 

In den siebziger Jahren wollten wir doch alle angestrengt und politisch voll korrekt bis demokratietrunken weg von Herrschafts- und Repräsentationskultur. Einige der gegenwärtigen Repräsentationspolitiker, die nun laut nach dem Festspielhaus rufen, gehörten auch dazu. Wer also jetzt ein „Festspielhaus“ für eine richtige oder gar notwendige Entscheidung hält, mag überlegen, welche Bedeutung solche Architektur gewordenen Nobilitierungen für die Kultur haben. Wäre in Zeiten wirtschaftlicher Krisen eine Bescheidenheitskultur angemessener? Oder sind ganz im Gegenteil Stimmungswirtschaften und - demokratien von solchen Zeichen äußeren Wohlstands abhängig, um wieder Vertrauen in eine blinzelnde Zukunft zu schöpfen? Wir wissen es nicht. Kultur braucht äußere Zeichen, zumindest für Menschen mit fragiler Rezeptivität. Jenseits der kulturbeflissenen Dax-Unternehmen, die gegenwärtig eine priore Rolle spielen, wird der Kulturkampf bei den Abos und an der Abendkasse entschieden. Ohnehin zielt Kulturpolitik bei diesem „Jahrhundertprojekt“ darauf, gesellschaftliche Räume zu entwerfen, die beanspruchen, eine konsensuelle Rezeption zu fördern. Die gute Festgemeinschaft, das Fähnlein der sieben und mehr Aufrechten. Vor Jahren gab es vorgeblich den „Treffpunkt Kino“, was indes schon deshalb nicht funktionierte, weil man sich nicht verbünden kann, um einen Film gemeinsam zu sehen und zu verstehen. Wer heute eine Pause nutzt, um das Konzertpublikum in Bonn und sonst wo zu beobachten, wird keine übertriebenen Vorstellungen vom Rezeptionsniveau der Opern- und Konzertbesucher entwickeln. Muss auch nicht sein, Kultur funktioniert auch jenseits des Pathos. Adornos struktureller Hörer, der alles weiß und dabei auch noch Genuss empfindet, ist eher ein theoretisch-moralisches Konstrukt als das „Desiderat“ einer Kulturgesellschaft. 

 

Kurzum, Festspielhaus, Pützchens Markt und Karneval gehören alle irgendwie zusammen, ästhetische Differenzierungen sind die Glasur, wenn überhaupt.  Allerdings gibt es noch mehr „Jahrhundertprojekte“ für Bonn, die wir nicht geringer schätzen würden als ein opulentes ästhetisches Spectaculum wie das „Festspielhaus“. 

 

Beispielsweise: Pünktlich operierende Buslinien im ganzen Innenstadtbereich – auch das ein kühner Traum von erhabener Schönheit. Zwar für die direkte Außendarstellung einer Stadt weniger geeignet, aber doch dauerhafter in den solidarischen Effekten ... Stay tuned! 

 

Update Ende April 2010: Hans im Bonner Glück 

 

Das Festspielhaus Projekt ist Schnee von gestern. Die Bonner haben es geschafft, Millionen Euro für die Kultur auszuschlagen. Vermutlich warten Sie jetzt darauf, dass die alte Beethovenhalle von den Heinzelmännchen renoviert wird. Was erzählen Sie jetzt den hochmögenden Künstlern, die hierher kommen sollen, warum ein Festspielhaus nicht gebaut wird, obwohl man auf einem riesigen Sack Geld saß. Der löst sich jetzt in Luft auf. 

 

„So glücklich wie ich, rief er aus‚ gibt es keinen Menschen unter der Sonne‘. Mit leichtem Herzen und frei von aller Last ging er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter angekommen war.“ Der Unterschied zwischen "Hans im Glück" und den Bonnern liegt auf der Hand. Noch kurz zuvor brüstete man sich mit dem Alleinstellungsmerkmal "Beethovens Geburtsstadt" , um Geld und Gut an den Rhein zu holen. Alle kulturellen Register wollte man ziehen, um die Stadt aufzuwerten. "Clever" wollte man sein, während Hans im Glück glücklich durch Einfalt wird. Im Ergebnis unterscheiden sich die Geschichten aber nicht: Die Steine versinken in irgendwelchen Fluten. Die Bonner reden und rechnen es sich sogar noch schön. Doch nichts anderes ist geschehen, als den Standort Bonn und sein "Alleinstellungsmerkmal" völlig zu ignorieren. Zugleich ist es ein Beispiel für den Irrwitz kommunalpolitischer Entscheidungsprozesse, die besser gegen sich selbst geschützt werden sollten.   

 

Update Ende August 2010

 

Eigenartig, nun sind die fiktiven Entwürfe so real wie die auserkorenen der Endrunde. Fazit: Bonn will sich seine Visionen erhalten! 

 

Juli 2011- Initiative: "Jetzt Schätzchen"

Wer so für das Festspielhaus Bonn wirbt, entlarvt sich als Unzeitgenosse. Denn hatten wir nicht "Zur Sache Schätzchen", ein Film dessen Erfolg nach Aussage seiner Macher maßgeblich von diesem - vor Jahrzehnten (1968, Regie: May Spils) - dynamischen Titel abhing. Da ging was ab! Vermeintlich oder wirklich. Aber "Jetzt Schätzchen" klingt so altbacken wie semantisch hilflos. Hinzu tritt die Konnotation der Flohmärkte, auf denen man "Schätzchen" kaufen und zunächst finden mag. Es gelingt den Festspielfreunden in ihrer vermeintlich hippen Unternehmensästhetik, die etwa auch ein großes Telefonie-Unternehmen in Bonn ohne nachvollziehbare Gründe pflegt, absolut nicht, Eros oder/und Pathos in das noble Anliegen der Kulturbereicherung zu bringen. Schon fragt man sich, wer für solche Werbung zuständig ist. Das zugehörige Video ist eine Mischung aus Melitta-Werbung und "Rendezvous unterm Nierentisch". Darüber möchte man Ludwig van Beethoven vergessen. Als Toast-Tattoo wird Ludwig "röstbraun" und schmeckt auch so. Vielleicht hätte man mal mit einer Klasse von Abiturienten über "krasse" Ästhetik nachdenken sollen. Oder bestätigt sich hier, dass das Festspielhaus doch nur vornehmlich ein Klientel hat, das sich hier angesprochen fühlt? Das zweite Video verschlimmert allenfalls den Tatbestand. Die Kinder würden es als "Pseudo" bezeichnen. "Echt, Alter, ich schwör..."

Goedart Palm

 

Jetzt Schätzchen - reviewed

Wenn am 06.08.2011 die Beteiligung an der Festspielhausinitiative unter 1.000 Unterzeichnenden liegt, stellt sich die Frage, ob diese Strategie, eine öffentliche Meinung zu produzieren, so geschickt ist. Beeindruckt Kommunalpolitiker eine solche Zahl in einer Stadt von der Größe Bonns? Es ist das ewige Dilemma: Der Sinn von Kultur ist nicht demokratisch erfassbar. Die Wirkungsverhältnisse sind differenzierter, als es einer breiten Öffentlichkeit einleuchten mag. Insofern wäre hier im Paradox zu reden: Es geht um den Luxus der Notwendigkeit. Es geht um eine mehrwertige Kulturlogik gegenüber der kalkulierenden Vernunft der Politik im Blick auf die vermeintliche öffentliche Meinung. Aber wer dieses Paradox wählt, läuft Gefahr, ignoriert zu werden. Denn im Grunde setzt es Kultur voraus, die Notwendigkeit von Kultur zu erkennen. Aber auch das ist nur eine blässliche Aussage, solange nicht klar ist, von welcher Kultur man redet. Die Abstinenz, den eigenen Kulturbegriff zu definieren, scheint in allen populistischen Darstellungen durch, das Festspielhaus zu fordern. Es ist ein latente Unehrlichkeit, Kultur als Gut zu beschwören, ohne anzugeben, für welche Kultur man warum optiert. Ist alle Kultur schön, wie es etwa die Pop-Art insinuierte, gibt es keinen veritablen Grund, ein Festspielhaus Beethoven zu bauen. Denn jene Kultur im allgemeinsten Sinne findet sich gleichermaßen in den mit Werbung verklebten Bussen der Stadt wie in den Geschenk-Beilagen von Burger-Herstellern. Von "Kultur für alle" ist es nur ein winziger Schritt hin zu "Kultur ist alles", was dann jede weitere Kulturaneignung gleich miterledigt. Wer also nicht Farbe bekennt zu seiner Kultur, sondern nur Beethoven exklamiert oder plakativ populistisch reagiert, darf sich nicht wundern, wenn seine Null-Botschaft Menschen nicht erreicht. Das ist marketingstrategisch eine womöglich unlösbare Aufgabe. Dann sollte man allerdings seine Anstrengungen nicht darauf richten.

Vielleicht aber gibt es die Option, den je eigenen Kulturbegriff zu konturieren, wirklich und nicht nur rhetorisch Farbe zu bekennen, und einer Öffentlichkeit ein ernstes Anliegen zu demonstrieren. Das könnte ein riskantes Unterfangen werden, wenn die Öffentlichkeit erkennt, dass der Kulturbegriff hinter dem immer noch rein virtuellen Festspielhaus unter gegenwärtigen Auspizien seine elitistische Tönung nicht verbergen kann. Doch vermutlich wäre das effektiver, wenn man darin begreifen würde, dass Kultur als politisches Marketingprodukt eine belanglose Materie ist und die Front kultureller Auseinandersetzung an einer völlig anderen Stelle liegt.

Goedart Palm

 

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